BARBARA

Nantes

Il pleut sur Nantes!
Grau, wie Blei, ist das Meer...
Nantes im Regen
macht das Herz mir schwer!

Es war ein Tag, wie heut', so grau,
und heut' vor einem Jahr genau,
und auch wie heut',
so grau und fahl,
schien mir die Stadt beim erstenmal.
Ratlos stieg ich aus dem Zug.
Was war's, das mich nach hier verschlug?
Am Telefon ein fremder Mann
rief tags zuvor aus Nantes mich an:
"Madame, rue de la Grange, Nummer Zehn,
wünscht Sie dringend ein Herr zu seh'n!
Madame, beeilen Sie sich sehr
- viel Hoffnung ist da wohl nicht mehr..."

Ich wußte niemals, wo er war,
seit er verschwand in jenem Jahr...
Nun war die Irrfahrt wohl vorbei,
nun brach das Schweigen dieser Schrei...
Der Vagabund, er schrieb kein Wort,
es schien ihm nicht der Mühe wert,
Wie lange, lange war er fort,
und doch nun zu mir heimgekehrt.
In die rue de la Grange NUmmer Zehn,
dort wollten wir uns wiedersehn.
Das Bild seh' ich mein Leben lang:
Sein Zimmer auf dem langen Gang...

Ich sah, als ich den Raum betrat,
vier Herrn im schwarzen Sonntagsstaat.
Sie standen schweigend, ohne ihn,
im grellen Licht um den Kamin.
Ich hab' die Fremden nichts gefragt:
Ihr Anblick hat genug gesagt,
und ohne Worte war mir klar,
daß ich zu spät gekommen war,
in die rue de la Grange, Nummer Zehn,
um zum letzenmal ihn zu sehn...
Er trieb mit mir das alte Spiel:
"Verreist mit unbekanntem Ziel!"

Ihn hatte, wie das oft so geht,
der Zufall in die Stadt geweht,
auf einmal aber sah er dann:
"Hier fängt die letzte Reise an!",
er hoffte, alt und abgehärmt,
daß ihn vielleicht mein Lächeln wärmt...
Doch starb er schon die Nacht zuvor
und ohne mein "Adieu" im Ohr...
Dann warf ich am Meer in sein Grab
die schönsten Rosen, die es gab.
Sonst konnt' ich nichts mehr für ihn tun.
wird er wohl in Frieden ruh'n,
mein Vater, mein Vater...

Il pleut sur Nantes -
Grau wie Blei ist das Meer...
Nantes im Regen
macht das Herz mir schwer!

(W.Brandin/Barbara))


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